Total Brain Development

Brain, Consciousness and Cognition

Kann Meditation die Funktionsweise des Gehirns optimieren?

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Verschiedene Meditationsmethoden wirken ganz verschieden – so haben neue wissenschaftliche Studien ergeben

Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin TIME hat in diesem Jahr in seiner Print-Ausgabe vom 8. Mai 2006 Richard Davidson, Neurowissenschaftler an der Universität Wisconsin-Madison, zu einer von insgesamt 100 Persönlichkeiten ernannt, die nach Auffassung von TIME die Welt im letzten Jahr am meisten geformt haben. Der Wissenschaftler katapultierte sich zu Weltruhm, als er auf Ersuchen des Dalai Lama in seinen Laboratorien an tibetisch-buddhistischen Mönchen Untersuchungen über die Wirkung von Meditation auf die Hirnaktivität durchführte.

Mit dieser Auszeichnung hat TIME einen Forschungsbereich ins Rampenlicht gerückt, der, so TIME, in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr Aufmerksamkeit erhalten wird: den Bereich der Körper-Geist-Medizin und eines eingehenderen Verständnisses davon, wie geistige und emotionale Prozesse mit Funktionsmustern im Gehirn zusammenhängen und wie letztere auf unterschiedlichen Wegen formbar sind und optimiert werden können. Für diesen hoch interessanten neuen Forschungsbereich wurde der Ausdruck der Neuroplastizität geprägt.

Davidsons Studie machte die Weltöffentlichkeit darauf aufmerksam, dass Meditation helfen kann, den Funktionsstil des Gehirns günstig zu beeinflussen, es zu trainieren, ganzheitlicher, ausgewogener zu funktionieren sowie mehr positive Gefühle freizusetzen als negative. So zeichnete er unter anderem Veränderungen in der elektrischen Aktivität der so wichtigen Bereiche des Gehirns auf, die mit Aufmerksamkeit und Motivation zusammenhängen, sowie in der Kommandozentrale des Gehirns, nämlich in der vorderen Hirnrinde. Diese Bereiche sind für alle Lernvorgänge und überhaupt für alle geistigen Tätigkeiten von fundamentaler Bedeutung. Um so spannender sind erste Erkenntnisse, dass sich diese so wichtigen Bereiche mit Hilfe von Meditationsverfahren günstig beeinflussen lassen.

Die Meditationen der tibetisch-buddhistischen Mönche sind allerdings für den Normalbürger schwer zu praktizieren, das sind sehr strenge Konzentrationstechniken und die Mönche, deren Hirnmuster sich so eindrucksvoll verändert haben, haben die Techniken jahrzehntelang sehr konzentriert ausgeübt.

Im April fand an der Universität von Arizon in Tucson die diesjährige Jahrestagung des dortigen renommierten Instituts für Bewusstseins- forschung statt. In den vergangenen Jahren hatten sich hier immer wieder Koryphären aus so unterschiedlichen Feldern wie einerseits den Neurowissenschaften, aber auch der Physik und der Philosophie zusammengefunden – wie etwa Roger Penrose, Stuart Hameroff und andere mehr. Dieses Jahr hielt dort Dr. Fred Travis, Neurophysiologie der in Iowa angesiedelten und ebenfalls schon auf fast vier Dekaden Lehr- und Forschungstätigkeit zurückblickenden Maharishi University of Management, einen viel beachteten Vortrag und wies zum ersten Mal daraufhin, dass verschiedene Meditationstechniken sehr unter- schiedliche Wirkungen im Hinblick auf Hirnmuster und geistige Verbesserungen hervorrufen. Er verglich die Hirnmuster von Ausübenden der Transzendentalen Meditation (TM), des Tibetischen Buddhismus und der Aufmerksamkeitsmeditation.

Aufmerksamkeitsmeditation, eine Meditation, in der man ruhig dasitzt und alle körperlichen und geistigen Empfindungen losgelöst beobachtet, führt, so erläuterte Travis an den EEG-Mustern, zu einer deutlich stärkeren Aktivierung der linken, mit analytischem Denken und Auswertungsprozessen verbundenen, Hirnhälfte und dort auch zu einer Abnahme der mit den wohltuenden Wirkungen von Meditation im allgemeinen assoziierten ruhigen Alpha-Wellen. Man bezeichnet diesen Funktionsstil, in dem eine Hirnhälfte mehr dominiert als die andere, auch als “laterale Asymmetrie”. Die Funktionsweise des Gehirns während Aufmerksamkeitsmeditation wiest somit, neurophysiologisch gesehen, einen gewissen Mangel an Balance, Ausgewogenheit auf. Weiterhin erbrachte eine neuere Meta-Analyse von Grossmann, dass die Aufmerksamkeitsmeditation – getestet auf Verbesserungen in zehn Bereichen der geistigen Fähigkeiten – lediglich Verbesserungen hinsichtlich der Schmerzwahrnehmung aufwies.

In der Tibetischen Meditation wird sehr stark mit konzentrativen Techniken gearbeitet. So richtet man zum Beispiel den gesamten Geist auf die Empfindung des Mitgefühls aus, so dass alle geistigen Prozesse und die gesamte Aufmerksamkeit darauf fokussiert sind, einen Ozean des Mitgefühls in sich zu erzeugen, ohne dass andere geistige Regungen störend dazwischenkommen. Dass die tibetische Meditation anstrengend ist, ließ sich auch anhand der Hirnwellen-Aufzeichnungen des EEGs feststellen. Hier zeigten sich typische Hirnwellenmuster im Gamma-Frequenzbereich um etwa 40 Hz, die üblicherweiseweise auftreten, wenn der Geist sich sehr stark konzentriert und somit sehr aktiv ist. Weitere moderne Bildungsgebungsverfahren der Hirnzellenaktivität zeigten ebenfalls auf, dass das Gehirn während tibetischer Meditation hoch aktiv ist.

Ganz anders so bei der Transzendentalen Meditation. Die EEG-Muster während der Technik der Transzendentalen Meditation zeigen charakteristischerweise eine globale, d.h. über alle Hirnbereiche reichende, kohärente Alpha-Aktivität. Hoch kohärente , d.h. phasen- korreliert oszillierende Alpha-Wellen treten in der Regel bei Erfahrungen tief entspannter, ruhevoller Wachheit auf, einer Erfahrung, die in der Literatur als Zustand “reinen Bewusstseins” bezeichnet wird und die grundlegendste und einfachste Form bewusster Erfahrung darstellt. Derartige EEG-Muster, wie sie bei den TM-Ausübenden beobachtet wurden, wurden bei anderen Praktiken der Meditation nicht beobachtet. Neuronale Bildgebungsverfahren während der Ausübung Transzendentaler Meditation zeigten zudem, dass während der TM die vorderen und hinteren Bereiche des Gehirns sehr viel wacher werden und aktiver sind, als wenn man einfach nur mit geschlossenen Augen dasäße. Allerdings bleibt dabei der Thalamus, das Eingangstor aller Erfahrungen, deutlich geringer aktiv. Das heißt: Während die Aufmerksamkeitssysteme weiterhin während der TM wachbleiben, gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Erfahrung nun verstärkt nach innen, statt nach außen, richtet.

Die TM-Praxis wird in der wissenschaftlichen Literatur als müheloser Prozess des Transzendierens beschrieben – die innere Bewusstheit weitet sich zu einem Zustand vollkommener Freiheit, Unbegrenztheit und Stille aus, die transzendentales Bewusstsein genannt wird. Meta-Analysen berichten über signifikante Verminderungen von Angst, ein Abnahme der Atemrate, Herzrate, des Blutlaktats, von Bluthochdruck, Zigaretten- und Alkoholkonsum und über eine signifikante Zunahme des Selbstwertgefühls, die aus der TM-Ausübung resultieren. Eine erst kürzlich abgeschlossene Ein-Jahres-Langzeitstudie, so berichtete Travis, an Ausübenden im ersten Jahr ihrer TM-Praxis wertete Veränderungen hinsichtlich Unausgewogenheiten in der Zusammenarbeit der Hirnhälften (laterale Asymmetrie), Gamma-Aktivität und allgemein der Breitband-Kohärenz über verschiedene Frequenzbander aus. Diese Untersuchung ist die erste ihrer Art, die in einer Gruppe von Versuchspersonen über einen längeren Zeitraum diese drei Hirnmuster, die in der Literatur verschiedenen Meditationspraktiken zugeordnet werden, verglichen hat. Während Gamma-Aktivität und die laterale Asymmetrie keine Veränderungen zeigten, erhöhte sich bereits nach zwei Monaten TM-Ausübung die Kohärenz in den vorderen Hirnbereichen, die üblicherweise als der Kommandozentrale oder der “CEO” des Gehirns bezeichnet wird, hingegen dramatisch – und das über alle Frequenzbande. Diese hohe Kohärenz blieb auch nach den ersten 6 und schließlich nach 12 Monaten Meditationspraxis weiterhin erhalten.

Mit den vorliegenden Daten können die Meditationsforscher sich nunmehr über gemeinsame physiologische Parameter verständigen und diese dann bei den Ausübenden verschiedener Meditationsmethoden durch Messungen überprüfen. So lassen sich physiologische Profile der unterschiedlichen Meditationspraktiken objektiv klassifizieren. Damit kann eine auf Daten der Gehirnforschung basierende Matrix erstellt werden, um die Funktionsweise von Meditationstechniken eingehender zu studieren und zu erörtern und ein Verständnis über ihre jeweilige spezifischen Wirkungen auf Körper, Geist und Umgebung zu gewinnen.

Referenzen:

1. TIME 100: The People Who Shape Our World; Richard Davidson – East Meets West in His Laboratory, TIME magazine, Sunday, Apr. 30, 2006 www.time.com/time/magazine/article/0,9171,1187248,00.html

2. Toward a Science of Consciousness 2006, April 4-8, Tucson Convention Center, Tucson, Arizona:
www.consciousness.arizona.edu/tucson2006.htm

3. Frederick Travis: Are all meditations the same? Comparison of brain patterns, mental benefits and descriptions of mindfulness meditation, Tibetan Buddhism, and Transcendental Meditation (Center for Brain, Consciousness and Cognition, Maharishi University of Management, Fairfield, IA) Abstract presented at the annual conference: Toward a Science of Consciousness 2006, April 4-8, Tucson Convention Center, Tucson, Arizona www.consciousness.arizona.edu/abstracts.htm

Abstract (No 263)

Current neural imaging and EEG (brain wave) patterns answer the question: Are all meditations the same? The research answers with a resounding “No!” Mindfulness meditation is characterized by greater left hemisphere activation – alpha lateral asymmetry. This is reflected in higher left hemisphere cerebral metabolic rate and lower left hemisphere EEG alpha activity. Mindfulness involves attention on one”s breath with eyes-closed, and dispassionate observation of bodily, mental and perceptual states with eyes-open. Preliminary research suggests that Mindfulness Meditation improves immune functioning. Grossman’s recent meta-analysis of 10 areas of mental benefits reported significant effects of Mindfulness Meditation only on reduction in pain perception. Tibetan Buddhism is characterized by heightened 40 Hz power and coherence. This meditation is done with eyes half open, while one creates inner states such as “pure compassion” or “loss of sense of self”. Research has not yet reported physiological or mental benefits of practice of Tibetan Buddhism. Transcendental Meditation is characterized by higher frontal 6-45 Hz coherence and higher global alpha power. TM practice is described as an “effortless” process of transcending – inner awareness expanding to a state of complete freedom, unboundedness, and silence, called transcendental consciousness. Meta-analyzes report significant reductions in anxiety, breath rate, heart rate, blood lactate, blood pressure, and cigarette and alcohol use, and significant increases in self-esteem resulting from TM practice. Recent research investigated one-year longitudinal changes in alpha lateral asymmetry, gamma activity, and broadband coherence in the first year of TM practice. This research is the first to compare in a single population these three brain patterns, which are reported in the literature to characterize different meditation practices. Data were recorded during TM practice, eyes-closed rest, and computer tasks. Alpha lateral asymmetry and gamma power and coherence did not change over the year in any of the three conditions. Broadband frontal coherence rose to a high level during TM practice after 2 months practice and remained at that high level at 6 and 12 months practice. Coherence linearly increased during eyes closed rest and the computer tasks over the year. Now is the time that meditation researchers should agree on common physiological variables and measure them in their perspective meditating populations. The resulting physiological profiles could objectively classify meditation practices, serving as a brain-based matrix to discuss meditation practices and understand their effects on the mind, body and the environment.

Written by admin

May 5th, 2007 at 1:37 am

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